«Hirne im Unternehmen vernetzen»

Am Netzpunkt vom 27. Mai im Dolder Grand ging es um Künstliche Intelligenz. Pascal Kaufmann, CEO der Firma Starmind, sprach über sein Lieblingsthema, das menschliche Hirn. Im Gespräch mit Reto U. Schneider blickte Kaufmann optimistisch in die digitale Zukunft.

Vierzig verschiedene Alumni-Hirne fanden sich neugierig im Hotel Dolder ein, um dem Vortrag von Pascal Kaufmann zu lauschen. Der promovierte Hirnforscher war direkt aus den USA eingereist und zeigte sich in provokativer Freitagabendlaune. «Wir sind alle schon längst Cyborgs», sagte Kaufmann. Jede Brille sei im Prinzip schon eine fruchtbare Verbindung von Mensch und Maschine. Und diese Verschmelzung werde sich in naher Zukunft noch schneller zutragen. Er würde zum Bespiel viel Geld zahlen für einen eingebauten Teleprompter im Auge, der ihm beim Vortrag Stichworte liefern würde, sagte Kaufmann. Der CEO des preisgekrönten Startups starmind nutzte die Gelegenheit, über sein Lieblingsthema zu sprechen – und stellte dabei auch seine Vision den anwesenden Unternehmern vor: «Denken mit 1000 Hirnen.»

Die Software von Starmind wird vor allem von Grossunternehmen genutzt. Die Technik baut auf dem Potenzial der Mitarbeitenden auf, indem sie deren Knowhow zu einem «Superhirn» des Unternehmens vernetzt. Starmind verfolgt dabei einen anderen Ansatz als das traditionelle Wissensmanagement. Zu jeder Frage des Betriebs schlägt die Software jene zehn Ansprechpartner innerhalb des Betriebs vor, welche am ehesten die richtige Antwort liefern können. Angestellte können in Echtzeit auf das «Corporate Brain» zugreifen. Dabei ist das Firmenhirn in der Lage, mit jeder Frage dazu zu lernen. «80 bis 90 Prozent aller Fragen, die in einem Unternehmen auftauchen, wurden schon einmal gestellt», so Kaufmann. Der Algorithmus von Starmind berücksichtigt auch die Erreichbarkeit von Mitarbeitenden und die Lust, Fragen von Kollegen zu beantworten. Der Vorteil der Technologie ist der Zeitgewinn. Als Nebeneffekt wird vorhandenes Wissen im Unternehmen durch das gemietete Hirn dokumentiert.

Hirnforschung als Basis
Die beiden Gründer von Starmind, Pascal Kaufmann und CTO Marc Vontobel versuchten mit ihrer Idee zuerst Wissenschaftler zu vernetzen, um auf komplexe Fragen schneller eine Antwort zu erhalten. Eine Bank bekundete bald Interesse an dem Produkt. Daraus entwickelten die beiden Unternehmer ein Businessmodel. Bereits 2013 wurde das Unternehmen mit dem Swiss ITC Award in der Kategorie Newcomer ausgezeichnet. Heute hat die Firma Starmind drei Büros und Kunden in 45 Ländern. Mit der Technik wird jedem Kunden auch ein übergrosses Glashirn mit bunten Lichteffekten geliefert, damit die Mitarbeitenden auf ihr Tool aufmerksam werden: «Das ist pures Marketing. Unsere Software läuft möglichst unsichtbar in bestehenden Oberflächen.» Um bekannter zu werden, forderte das Schweizer Startup in der Anfangsphase auch IBM und deren Computerprogramm Watson zu einem Wettkampf heraus. Ein PR-Gag mit zwei Siegern, der auch dem Giganten gefiel.

Mitarbeiter 4.0
Kaufmann skizzierte eine Zukunft, in der die Menschen bald nicht mehr zu arbeiten bräuchten: «Ich habe kein Problem, mir eine Gesellschaft vorzustellen, wo die Roboter alles erledigen.» Der Mitarbeiter 4.0 habe viel Freizeit, sagte Kaufmann, der nach eigenen Angaben seit zehn Jahren keine Bücher mehr liest, weil ihm die Kapazität der analogen Wissensspeicher schlicht zu primitiv sei.

Im Anschluss an den Vortrag wurde Kaufmann von Reto U. Schneider befragt. Der stellvertretende Chefredaktor des NZZ Folio hatte die Aprilausgabe zum Thema Künstliche Intelligenz realisiert. Schneider trat darin in einem journalistischen Selbstversuch in verschiedenen Disziplinen gegen Roboter an. Er fragte Kaufmann, was er von den Bestrebungen diverser Forscher halte, das menschliche Hirn nachzubauen. Kaufmann äusserte sich skeptisch zu Experimenten, die den Organismus zu imitieren versuchten, etwa das prestigeträchtige «Human Brain Project». Statt blind Hirnzelle für Hirnzelle und Synapse für Synapse zu kopieren, sei der Fokus auf die Prinzipien des Denkens vielversprechender, so Kaufmann. Er habe aber keine Zweifel, dass eine Revolution durch intelligente Systeme in verschiedenen Bereichen unmittelbar bevorstehe, so Kaufmann: «Maschinen sind viel zuverlässiger.» Besonderes Potenzial sieht er in der Medizin, die Diagnose durch einen einzelnen Menschen, den Arzt, halte er für veraltet. Die rasante Entwicklung von immer leistungsfähigeren Systemen sei nicht aufzuhalten, und das sei auch gut so, so Kaufmann: «Ich empfehle, dass man sich den neuen Technologien öffnet, damit man sich damit auseinander setzen kann.»

Vernetzung mit Häppchen
Zum Abschluss des Netzpunktes beantwortete Kaufmann auch noch die Fragen der interessierten Alumni. Die Frage ist nicht umsonst der zentrale Impuls von Starmind, denn durch Neugier entsteht Lernen. Nach den Unternehmen seien ehemalige Mitarbeiter übrigens ein interessanter Kundenkreis, weil sie ihr Knowhow oft sehr gerne mit einer Firma teilen. Der Austausch zwischen Menschen steht am Anfang der Vision, mit «1000 Hirnen denken» zu können. In diesem Sinn ging die Vernetzung der Alumni beim Apéro auf der Sonnenterrasse weiter, inspiriert durch Preziosen aus der Dolderküche.

Text: Claudio Zemp

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