Ein Besuch beim journalistischen Flaggschiff der Schweiz

„Schon einige Jahre hatten wir das Vorhaben, allhier eine politische Zeitung herauszugeben. Alle Mittwoche und Samstage, auf den Mittag, soll davon ein halber Bogen herauskommen, und man bezahlt uns für den vollständigen Jahrgang ein Gulden und dreyssig Kreuzer, Zürich-Valuta, gegen Empfangschein zum Voraus.“ Wir schreiben den 12. Januar 1780. Die erste Ausgabe der NZZ ist mit diesen einleitenden Worten erschienen. Im Gegensatz zum Gründungsjahr erscheint die NZZ schon lange tagtäglich. Die Herausforderungen beziehen sich heute wohl eher auf die Anzahl einzutreibender Gulden und ein lückenloses Inkassomanagement. Wie stellt sich das traditionsreiche Unternehmen dem Zeitalter der Digitalisierung, dem sinkenden Annoncengeschäft und der kaum noch vorhandenen Zahlungsbereitschaft der Leser? Genau das wollte eine sagenhafte Anzahl von 32 EMBA Alumni UZH am 1. Februar 2018 herausfinden.

Wir wurden von unserem Präsidenten, Eric Schinzel, herzlich in den ehrwürdigen Hallen der NZZ an der Falkenstrasse 11 empfangen. Nach einer kleinen logistischen Herausforderung bezüglich der Garderobe wurden uns die Gastgeber des Abends vorgestellt: Luzi Bernet, Chefredaktor der NZZ am Sonntag und André März, Koordination & Dienste NZZ.

Luzi Bernet entführte uns erst einmal auf eine Reise durch die NZZ am Sonntag. Zunächst dementierte er das sich auch im eigenen Haus hartnäckig haltende Gerücht, dass bei der NZZ am Sonntag nur samstags gearbeitet wird. Da wir davon ausgehen, dass die NZZ am Sonntag nicht extra für unseren Donnerstagsbesuch Statisten angestellt hat, können wir diese Richtigstellung mindestens teilweise bestätigen. Voller Stolz und Passion führte uns Luzi Bernet durch die mehrheitlich denkmalgeschützten Büros und erklärte uns die einzelnen Arbeitsstationen und Abläufe in seinem Reich. Im ersten Augenblick macht es den Anschein, dass die Arbeitswoche der Journalisten von Dienstag bis Samstag stark durchgetaktet ist, aber, wenn man es mit einer Tageszeitung vergleicht, so kann man sich bei der NZZ am Sonntag doch noch Zeit für intensive Recherchen und die liebevolle Gestaltung der Zeitung nehmen. Dieses Flair spürt man auch in den Räumlichkeiten und bei den Mitarbeitenden. Es wirkt einfach alles gründlich, ruhig und zweckmässig organisiert. So erstaunt es auch nicht, als Luzi Bernet den Rundgang mit den folgenden Worten schliesst: Die NZZ am Sonntag spürt noch wenig von der Digitalisierung. Es geht bei ihnen nicht um die neusten Schlagzeilen, sondern um Hintergründe und Zusammenhänge. Ausser, dass die Kunden vermehrt die Zeitung auf dem Tablet lesen, hat sich noch nicht viel im Konsumverhalten verändert.

Von dieser Wohnzimmeratmosphäre ging es hinab zur Tageszeitung der NZZ. Schlagartig veränderte sich die Umgebung. Willkommen im Newsroom! Hier herrscht eine weit höhere Taktzeit und die Atmosphäre pulsiert. Eindrücklich erläuterte uns André März den Verteidigungsring gegen die unaufhörlich eindringende Informationsflut. Ein ausgeklügeltes Triage- und Kontrollsystem (bis hin zum 10 Augenprinzip) sorgt für die korrekte Verarbeitung und Publikation der eingehenden Meldungen. Es gilt ganz klar noch immer das Gesetz, dass die schnellste Zeitung gewinnt. Jede News, die bestätigt und verarbeitet ist, wird erst einmal online gestellt. Erst in einem zweiten Schritt wird entschieden, ob das Gemeldete überhaupt in der Printversion vom nächsten Tag erscheint. Und der Erfolg wird dank Smartphones und Tablets Realtime gemessen: Welcher Artikel wird wie oft und wie lange von den Kunden gelesen? Zu welcher Tageszeit konsumieren die Kunden die Zeitung? Die Zeiten sind intensiver und schnelllebiger geworden. Bei der Tageszeitung ist die Digitalisierung schon voll angekommen!

Die NZZ kennt die EMBA Alumni UZH anscheinend sehr gut. Nächste Etappe: Ein von der NZZ offerierter Apéro. Herzlichen Dank für diese sehr empathische Geste! Luzi Bernet und André März stellten sich in geselliger Runde den Fragen de EMBA Alumni UZH. Ja, die Medienlandschaft verändert sich, der Anzeigeverkauf ist rückläufig und der Konsolidierungsprozess wird wohl weiter voranschreiten. Die Digitalisierung ist da und es findet ein steter Anpassungsprozess an die veränderten Kundenwünsche statt. Der Kunde ist aber immer noch bereit für Informationen zu bezahlen. Sonst wäre die NZZ wohl nicht ein rentables Unternehmen, das sogar Ambitionen hat, sein Geschäftsmodell nach Deutschland zu exportieren. Die Einzigen, gemäss Luzi Bernet, die die Medienhäuser totreden, das sind momentan die Medienhäuser selbst.

Erleichtert, dass das journalistisches Flaggschiff NZZ uns auch in der Zukunft täglich mit spannenden News versorgen wird, zogen die EMBA Alumni UZH gemeinsam zum Restaurant Masi Wine Bar um den Abend gemütlich und in der uns bekannten Manier ausklingen zu lassen. Auch wenn sich seit dem 12. Januar 1780 in der Medienwelt vieles geändert hat, eines ist geblieben: Die NZZ liefert tagtäglich genau recherchierte Fakten, vertiefende Analysen und kompetente Kommentare. Danke für den spannenden Blick hinter die Kulissen der ältesten heute noch erscheinenden Zeitung der Schweiz!

Text und Bilder: Marcel Rohrer

Hier geht es zur Bildergalerie

Alle News

Folgen Sie uns in den sozialen Netzwerken…
Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung dieser Website sind Sie mit dem Einsatz von Cookies einverstanden. Datenschutzerklärung
Akzeptieren